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Sonntag, 30. August 2015

Erkältet...!?


Eines morgens wachte ich auf mit einer riesigen, hässlichen Erkältung,. So hatte es mich bisher noch nie erwischt. Ich hatte zwar überhaupt kein Fieber, nicht mal leicht erhöhte Temperatur. Aber die Nase lief non-stop, ich musste alle 5 Minuten niessen und sah kaum zu den Augen raus weil diese so angeschwollen waren. Wenn ich schon nur ein paar Schritte gehen musste, geriet ich so ausser Atem, dass ich mich hinsetzen musste. Arme Ayana, ich konnte wirklich kaum mit ihr spazieren gehen. Und komischerweise konnte ich nichts dagegen tun. Kein Nasenspray half, keine Medikamente und auch nach einigen Tagen wurde es nicht besser. Der Arzt konnte auch keine Entzündung feststellen, es war also nur eine „kleine“ harmlose Erkältung. Nach etwa 2 Wochen konnte ich das erste Mal wieder für einige Sekunden durch die Nase atmen. Doch trotzdem die Atemwege wieder freier waren, war ich mega schnell ausser Atem. Also spazieren und sprechen gleichzeitig war unmöglich. Zudem wurde meine Stimme ganz anders. Ich dachte natürlich, dass dies mit dieser Erkältung zu tun hatte. Sie war wahrscheinlich einfach noch nicht genügend auskuriert und vielleicht müsste ich dann trotzdem noch Antibiotika einnehmen.
Es vergingen ein paar Wochen... und mit ihnen auch ein paar Arztbesuche, doch es war eigentlich alles ok. Man konnte mir nicht erklären, woher diese Kurzatmigkeit kam, verschweige denn der gelegentliche Stimmverlust.  Das Nächstgelegene was meinem Hausarzt also einfiel, war mich zu einem Lungenspezialisten zu schicken. Und da ich dazu noch Raucherin war, war er sowieso überzeugt, dass es sicherlich damit in Zusammenhang stehen musste. 

Samstag, 22. August 2015

Fallen gelassen

Selbstverständlich wusste ich, dass ich ziemlich lange auf das Resultat dieser vielen Tests warten musste. Diese Ärzte mussten sich ja zuerst alle zusammen absprechen und dann würden vielleicht noch weitere Tests angeordnet werden. Wie auch immer. Langsam war ich etwas geduldiger geworden. Blieb mir auch nicht viel anderes übrig.
Eines Morgens, als ich gerade daran war die Zeitung zu lesen, kam dann die grosse Verwirrung. Da war ein Bericht drin, dass die ganze Abteilung der IV-Vertrauensärzte geschlossen wurde. Die noch pendenten Patientenakten würden also bis auf weiteres auf Eis gelegt, da man noch nicht wusste wer das übernehmen würde. Falls überhaupt. Da lag jetzt also irgendwo ein ganzer Stapel meiner Testergebnisse. Das müsste sich bloss irgendein Arzt anschauen um mir dann eine Diagnose machen zu können. Aber da war kein Arzt mehr. Und das Dossier konnten sie mir auch nicht aushändigen.
Schriftlich informiert über diese ganze Situation wurde ich nie. Hätten wir das nicht in der Zeitung gelesen, würde ich wohl heute noch auf den Bericht warten. Man bedenke auch, dass ich nicht zu diesen Vertrauensärzten gehen WOLLTE, sondern MUSSTE. Das war die Bedingung der IV, damit sie meinen Fall überprüfen und mir eine eventuelle Umschulung bezahlen würden.
Wie sollte es nun weitergehen? Ich war in jeder Hinsicht wieder auf mich alleine gestellt. Ich musste mir wieder neue Ärzte suchen, die ganzen Untersuchungen wiederholen und mich bei der IV wieder durchringen, damit ich die nötigen Informationen bekomme. Und das alles ohne mein Gehör, sprich ohne telefonieren zu können. Du kannst dir sicher vorstellen, wie nervenauftreibend allein diese Vorstellung war, verschweige dann den Weg, den ich noch vor mir hatte. Doch irgendwie musste es ja weiter gehen...

Dienstag, 18. August 2015

Die Vertrauensärzte

Es war nun also klar, dass irgendetwas nicht in Ordnung war. Ganz bestimmt nichts weltbewegendes, irgend etwas kleines. Kurz nach meinem ungewollten Ausflug in den Fluss, bekam ich ein Aufgebot von der IV. Sie schickten mir etliche Termine, an welchen ich von ihren Vertrauensärzten untersucht würde. Eines war zum Beispiel ein Arzt für allgemeine Medizin, eines war ein Neurologe und eines war ein Zentrum für Gleichgewichtsprobleme. Endlich, ich hatte es geschafft und es war etwas im Gang. Hurra! Diese Termine waren zwar ca. auf 6 Monate verteilt, aber immerhin wurde etwas gemacht.
Beim Allgemeinmediziner war es total schräg. Ich kam mir vor wie bei einer Untersuchung für ins Militär. Er hat kurz in Ohren, Nase und Augen geleuchtet, ein paar Stretching-Übungen gemacht und das war es dann auch schon.
Die Neurologin hat ziemlich rasch gemerkt, dass da etwas nicht stimmt, hat aber immer freundlich gelächelt und mich am Schluss auch beruhigt. Sie sagte mir, dass sie nichts typisch neurologisches gefunden hätte und sie sich dann noch mit den anderen Ärzten absprechen würde. Das war für mich schon eine schöne Erleichterung.
Im Zentrum für Gleichgewichtsstörungen war ich bis dahin noch nie. Und es wurde mir gesagt, dass die Untersuchungen 5 Stunden dauern würden. Ich hatte wieder einmal ein sehr mulmiges Gefühl im Bauch. An eine der zahlreichen Untersuchungen erinnere ich mich nur ungern. Ich musste mich hinlegen und dann wurde mein linkes Ohr mit eiskaltem Wasser mit Hochdruck gefüllt. Ich hatte das Gefühl, dass der Druck so stark war, dass sogar mein Gehirn einfriert. Es war dasselbe stechen im ganzen Kopf, wie man es kennt vom Winter, wenn man eiskalte Hände hat. Direkt nach dieser Spülung bekam ich eine riesige Brille aufgesetzt. Man kann sich das vorstellen wie heutzutage diese neuen Brillen für Virtual Reality Games. Ich musste die Augen aufreissen und durfte nicht blinzeln, weil diese Brille mein Auge filmte. Dumm war nur, dass ich meine Augen nicht so weit aufreissen konnte, dass man das ganze Auge sah. Und darum wurde ich ständig angemotzt und musste die ganze Prozedur x-mal wiederholen. Ich verstand die Welt nicht mehr und fragte mich, ob ich irgendwie missgebildete Augen hätte oder so. Ich gab ja mein Bestes, aber die Frau war nie zufrieden.
Selbstverständlich machte man die Eiswasserspülung dann auch noch beim anderen Ohr, gefolgt von der Brillen-Folter. Als wäre das nicht schon genug gewesen für meine Nerven hatten sie noch einen auf Lager. Nun wurden die Ohren mit heissem Wasser (gefühlte Temperatur von Kochwasser) durchgespült. Erst das eine, danach das andere, wiederum gefolgt von der Brillen-Folter. Ich war total fertig nach diesem Test.

Mittwoch, 3. Juni 2015

Das Bad


Einmal war ich mit Ayana unterwegs. Sie liebt es zu baden. Dabei ist es ihr eigentlich ziemlich egal, in welcher Jahreszeit wir uns gerade befinden und welche Temperatur das Wasser hat. Vorallem wenn sie wie eine Verrückte gespielt hat, muss sie sich ja nachher irgendwo abkühlen können. Konnte man das Spielen und Baden verbinden, war sie wunschlos glücklich. Da hatten wir also wieder einmal einen neuen Platz an einem kleinen Fluss gefunden. Kein Mensch weit und breit, der etwa knietiefe Fluss gehörte uns ganz alleine. Wir suchten uns also einen schönen Stock, einen nicht allzu kleinen, denn je mehr er ins Wasser platschte um so grösser der Spass. Zuerst versicherte sich immer wie tief der Fluss war. Wenn das dann mal abgeklärt war, holte sie Anlauf und sprang mit einer ziemlich gekonnten Arschbombe ihrem Stock nach. Sie brachte den Stock dann wieder raus zu mir und das Ganze begann von Vorne. So konnten wir uns gefühlte Ewigkeiten beschäftigen. Eigentlich war es ein schöner, sonniger Herbsttag, doch auf einmal kam ein kalter Wind und es zogen dunkle Wolken daher. Ich warf also noch mal einen letzten Stock als ich plötzlich das Gleichgewicht verlor. Es ging irgendwie alles sehr schnell und ich habe nicht recht mitgekriegt wie es geschah, aber plötzlich lag ich im Fluss. Mitsamt allen Kleidern und Tasche versteht sich. Ayana schaute mich neckisch an und ich war heilfroh, dass mir nichts weh tat. Ich hatte so ein grosses Glück. Hätte ich mir irgendwo den Kopf angestossen, wäre ich wohl einfach da im Wasser gelandet. Bewusstlos. Aber malen wir nicht den Teufel an die Wand. Es ist nichts passiert. Ausser dass ich klitschnass nach Hause laufen musste. Die Leute auf dem nach Hause weg schauten mich relativ schräg an. Jetzt war ich nicht nur die Schwankende, sondern sogar die tropfend Schwankende. Ich hatte noch die Qual der Wahl: Steige ich in den Bus ein oder laufe ich den ganzen Weg? In Anbetracht der Kälte draussen, entschied ich mich für die verachtenden Blicke im Bus. Das waren verdammt lange 15 Minuten.
Leicht irritiert über das Geschehene, begab ich mich zu Hause erstmal in die heisse Badewanne. Das musste ich jetzt verdauen.

Dienstag, 26. Mai 2015

Weiter gehts...

Von nun an lief alles anders. Es fühlte sich an, als hätte ich über Nacht ein Kind bekommen. Und diese Verantwortung war einfach ein wundervolles Gefühl. Jeden Morgen wurde ich um sechs Uhr geweckt durch eine nasse Zunge und das unaufhörliche Wedeln eines kleinen Schwanzes. So konnte ja der Tag nur gut beginnen! Mit Ayana zusammen fühlte ich mich wahnsinnig stark. Trotz meiner Schwerhörigkeit kam ich viel besser ins Gespräch mit anderen Menschen, wenn sie dabei war. Ich traf dann auch bei uns im Quartier plötzlich Leute mit Hunden, welche ich zuvor nie wahrgenommen hatte. Wir trafen uns dann jeweils auf einer grossen Wiese, die Hunde konnten zusammen spielen und wir plaudern. In dieser Zeit entstanden ein paar richtig schöne und wichtige Freundschaften.
Mit einer ganz speziellen Freundin konnte ich von Anfang an sehr gut über meine gesundheitlichen Probleme sprechen. Sie ist so eine offene Person, die sich davon nicht abschrecken liess. Als wir wieder einmal zusammen auf einem kleinen Hundeausflug waren, fragte sie mich, ob ich Schmerzen im Fuss hätte. Ich hatte jedoch keine Ahnung wovon sie sprach, denn mir ging es hervorragend. Sie sagte mir dann, dass ich leicht hinke und ihr das so aufgefallen sei. Ich hatte auch schon bemerkt, dass ich ab und zu schwankte. Es war aber ganz selten, zum Beispiel wenn ich sehr müde war. Oder in der Dämmerung, aber da hatte ich schon immer Probleme. Ich bin total Nachtblind. Und dazu ging ich davon aus, dass bei einem Gehörverlust doch wohl auch das Gleichgewicht etwas eingeschränkt war.
Und wenn ich dazu noch wusste, dass mich jemand "beobachtet" oder mir nachschaut, dann kam es natürlich erst recht nicht gut. Weil man dann versucht, besonders elegant zu gehen. Also wenn ich mal einen schlechten Tag hatte und so vor mich hin schwankte, sah es schon aus, als hätte ich ein kleines Gläschen Wein zu viel gehabt. Die Blicke meiner Mitmenschen waren sehr verschieden. Geschah das abends, da fiel ich nicht grossartig auf. Aber wenn ich morgens schwankend unterwegs war, dann sah ich es den Leuten ins Gesicht geschrieben: "So früh schon besoffen!"

Mittwoch, 18. März 2015

Der richtige Weg...

Da ich nun eine 24 Stunden-Begleitung hatte, war es mir nicht mehr möglich ganztags in die Tagesklinik zu gehen. Weil mitnehmen durfte ich Ayana ja nicht. Und zu Hause lassen war auch schwierig, da sie ja ihre Blase nicht lange halten konnte. Zudem war sie von Anfang an extrem anhänglich und hat wild gebellt, wenn ich sie auch nur 10 Minuten alleine gelassen habe.
Ich suchte also das Gespräch mit meiner Betreuerin. Sie sagte mir, dass es nicht erlaubt sei, nur halbtags in der Klinik zu sein. Andererseits gab es dort einen Mann, der immer nur Nachmittags kam. Aber für mich war das nicht erlaubt. Ganz spontan und selber überrascht durch mein Handeln, sagte ich ihr also, dass das in dem Fall mein letzter Tag hier wäre. Denn ich hatte jemanden zu Hause der mich brauchte, der mich genau so nahm wie ich war und der mich liebte. Die Betreuerin rief dann rasch noch 2 Andere zu Hilfe, da sie wohl über meine Worte genau so überrascht war wie ich. Und daraus entstand dann eine richtige Krisensitzung. Sie wollten mich überreden, doch besser in diese geschlossene Klinik zu gehen. Sie sagten, ich sei auf dem besten Weg, mein Leben weg zu schmeissen. Und sie sagten auch, dass Ayana nicht gut für mich wäre. Dass ich durch sie nur meine Probleme verdrängen würde und diese dann noch schlimmer werden könnten.
Dann bin ich geplatzt. Ich weiss nicht mehr, was ich diesen Leuten alles an den Kopf geworfen habe, ich war wie in Trance. So unheimlich wütend. Seit Monaten erhielt ich an diesem Ort null Verständnis, keine brauchbare Hilfe und wurde erneut als Simulantin hingestellt. Und dann kommt ein Wink vom Schicksal und man versucht auch das noch schlecht zu machen.
Ich habe meine Sachen gepackt und bin gegangen. Schnurstracks nach Hause, wo mein kleiner Schatz schon sehnsüchtig auf mich wartete.
Meine Eltern wollten die Kleine anfangs gar nicht kennen lernen. Sie meinten, dass das wohl der unpassendste Zeitpunkt sei, einen Welpen zu adoptieren. "Was ist, wenn du nächste Woche wieder einen neuen Job hast? Was machst du denn den ganzen Tag mit dem Hund?". Im Nachhinein muss ich zugeben: Eine berechtigte Frage. Aber mein Bauchgefühl sagte mir einfach, dass dies der richtige Weg ist. Auch wenn alle dagegen argumentieren; ich hatte selten eine solche Sicherheit, dass es genau so kam, weil es eben so kommen musste.
Ich bin heute so unendlich glücklich darüber, dass ich damals meinen Kopf durchgesetzt habe!

Samstag, 7. März 2015

Kleine Donnerwolke

Da war ich nun angelangt, an diesem Punkt wo ich nicht weiter wusste. Sollte ich wirklich in eine psychiatrische Klinik gehen? Was wenn ich dort auch wieder nicht am richtigen Ort bin?
Dieses Mal musste ich jedoch nicht selber entscheiden. Denn für einmal bekam ich ein deutliches Zeichen vom Schicksal. Es trat jemand in mein Leben,  der alles verändern sollte. Eine kleine Donnerwolke, die mich auf Trab halten würde. Eine Aufgabe. Eine Liebe. Meine Hündin Ayana. Und von heute auf morgen war alles anders. Ich hatte keine Zeit mehr für mich und meine Probleme. Ich hatte einen Vollzeitjob. Ein 12 Wochen alter Welpe, der meine Katzen durch die Wohnung jagte und alle 20 Minuten sein Geschäft verrichtete. Drinnen versteht sich. Also Hundi packen, runter rennen und sie ins Gras setzen. Natürlich musste sie nun nicht mehr. Also wieder zurück in die Wohnung um weiter zu putzen. Gleichzeitig musste sie aber nun wieder und hat in eine andere Ecke gemacht. Aber wenn sie mich dann mit ihren grossen, rehbraunen Augen ansah, hatte ich ihr schon längst alles vergeben. Es folgten etliche schlaflose Nächte, weil die Kleine - auch nachts - natürlich alle 2 Stunden kurz raus musste. Und tagsüber wurde dann wieder die Wohnung auseinander genommen und gespielt. Eines ihrer ersten Lieblingsspielzeuge war ein BH von mir.. Den hat sie durch die Luft gewirbelt und ist ihm freudig hinterher gehüpft. Immer und immer wieder. In der Welpenschule hiess es dann, man sollte das Lieblingsspielzeug seines Hundes mitbringen. "Ayana, wir gehen shoppen! Du MUSST dir ein neues Spielzeug suchen!" Aber am allerliebsten waren ihr natürlich andere Welpen. Da konnte man sich austoben. Und wenn man fertig war mit spielen, dann konnte man sich auch einfach im Wald direkt hinlegen und einschlafen. Mami trägt einem ja dann schon nach Hause. Kein Problem.
In der Welpenschule war meine Kleine die Anführerin. Also nicht im positiven Sinn jetzt. Wenn uns etwas erklärt wurde, dann hat sie sich gerne mal aus ihrem Halsband rausgezogen und die anderen Welpen bellend dazu animiert mitzumachen. Falls andere auch ausbüchsen konnten, war das der Hit. Ansonsten hat sie halt alleine ihre Runden gedreht und ist über die Hindernisse gerannt; man konnte sie jeweils kaum mehr einfangen.
Es musste einfach immer etwas gehen. Und wenn ihr langweilig war, dann hat sie halt eine Klopapierrolle gefressen oder eine Zeitung zerstückelt. Ich war wirklich 24 Stunden am Tag voll abgelenkt. Ich musste nirgends mehr alleine hin, ständig folgte mir meine treue Begleiterin und beschützte mich auch vor bösen Monstern wie dem Föhn, oder dem Staubsauger. Mir konnte also nichts mehr passieren.
"Lass uns unseren Weg zusammen gehen, kleine Donnerwolke!"




Mittwoch, 4. März 2015

Tagesklinik (Teil 3)

In dieser Zeit in der Tagesklinik sind bei mir sehr viele körperliche Veränderungen aufgetaucht. Was mir als Erstes auffiel, waren die Gleichgewichtsschwierigkeiten. Vorallem wenn ich müde war, oder wenn es draussen dunkel war. Dann schwankte ich ab und zu ein bisschen, konnte aber irgendwie nichts dagegen machen. Komisch.
Als Zweites fiel mir noch etwas ziemlich Komisches auf. Wir waren in der Turnhalle beim Sport und spielten Basketball. Ich liebe Basketball über alles. Da konnte ich mich jeweils richtig auspowern. Meine Ausdauer war zwar nicht mehr enorm gut, aber da konnte mich nichts aufhalten. Ich konnte stundenlang dem Ball nachrennen. ... Ich war also wieder mal hinter einem Ball her und hatte ein ziemliches Tempo drauf. Dann wollte ich bremsen, doch das funktionierte nicht. "Hirn an Beine, bitte stoppen!". Aber die Beine rannten weiter und ich erwischte somit den Ball nicht. Das passierte mir dann zwei- dreimal nacheinander und ich war danach total frustriert und verstand die Welt nicht mehr. Ich konnte rennen wie gestört aber nicht mehr anhalten. Bei einem Versuch anzuhalten bin ich sogar hingefallen. Anstatt zu stoppen wurden meine Beine zu Gummi und knickten ein. Was war da bloss los?
Das dritte Symptom war das Allerschrägste. Es kam mir vor, als wäre meine Zunge und meine Lippen "eingeschlafen". Ich hatte kein richtiges Gefühl mehr und es hat so gekribbelt. Man kann es vergleichen mit dem Gefühl, wenn einem nach einer Spritze beim Zahnarzt langsam wieder etwas Gefühl kommt. Man spürt leicht einen Druck, leichtes Kneiffen schmerzt aber noch nicht. Besonders stark wurde dieses Gefühl während dem Essen. Ich konnte mir nicht erklären was das sollte. Ich habe dann mit dem Psychologen darüber geredet und auch mit meiner Betreuerin. Beide meinten: "Also sie haben schon immer merkwürdige Dinge!". Und somit war das Thema erledigt. Ich war ein Mensch, der wahnsinnig viel Wert auf das Erst-Feedback legte. Hatte ich beispielsweise eine Idee, erzählte dieses jemandem und bekam ein negatives Feedback, so habe ich meine Idee wieder verworfen. Da man mich also nun wieder einmal nicht ernst nahm, verschweige denn zu einem Arzt schickte, war  ich wieder auf mich gestellt. Und ich war ja selber unsicher. All meine Ärzte belächelten mich. Ich hatte keine Fachperson, an die ich mich wenden konnte.
Wenn ich das jetzt schreibe, erscheint es mir sehr logisch, dass sich meine psychische Situation in der Zeit noch verschlechtert hat. Ich hatte nicht die Kraft mich durchzusetzen.
Ich hatte zwar wieder eine gute Tagesstruktur und soziale Kontakte. Aber ich war unheimlich wütend. Auf Jeden und Alles. Wieder einmal war ich an einem Ort wo alle nur mit den Ohren zuhören und nicht mit dem Herzen.
Meine Betreuerin meinte dann, dass es in Ihren Augen besser wäre, mich in eine geschlossene Klinik zu überweisen. Weil sie merkte, dass ich da nicht weiter kam und sie überhaupt nicht in mich hinein sah. "Sie sind wahrscheinlich hier bei uns nicht am richtigen Ort, wir können Ihnen nicht helfen!". Diesen Satz hatte ich in den letzten Jahren zur Genüge gehört. Gehörte ich denn überhaupt irgendwo hin?

Donnerstag, 26. Februar 2015

Tagesklinik (Teil 2)

Ich habe so gut es geht versucht, meine Betreuerin zu ignorieren und mich nicht zu sehr aufzuregen. Ich habe dort eine Freundin gefunden, mit der ich auch noch heute Kontakt habe und mich immer wieder freue, sie zu sehen. Wir haben viele lustige Momente zusammen erlebt und konnten von Anfang an sehr offen miteinander sprechen. Sicherlich auch, weil wir ja beide vom anderen wussten, dass er auch Probleme hat. Welche das genau sind war eigentlich nie relevant, es ist einfach das nötige Verständnis da unter "Leidensgenossen".
Durch das abwechslungsreiche Tagesprogramm waren wir auch immer ziemlich beschäftigt, was mir persönlich sehr half, wieder eine Tagesstruktur zu entwickeln. Es gab jedoch auch immer wieder Momente, wo ich mich total fehl am Platz gefühlt habe. Obschon ich von Menschen umgeben war, war ich oft sehr einsam und in mich gekehrt. Habe viel über mich nachgedacht. Es gab 2 Situationen im Tagesablauf, die sehr schwierig waren für mich:
Das erste Problem fing schon am Morgen früh an. Denn zur Begrüssung haben wir uns immer alle (auch die Betreuer) in einem Raum getroffen. Wir sassen im Kreis und jeder erzählte kurz wie es im geht. Oder wie er den gestrigen Tag fand. Oder man sagte gar nichts. Es war einfach eine Möglichkeit, sich mitzuteilen. Es waren eigentlich auch immer etwa die Gleichen, die dieses Bedürfnis hatten. Natürlich konnte ich von den Leuten dort nicht erwarten, dass sie mich anschauten beim reden, denn sie redeten ja nicht mit mir, sondern mit der Gruppe. Demzufolge habe ich auch nie etwas davon verstanden, denn ich konnte ja nur noch etwas verstehen, wenn ich zusätzlich von den Lippen ablesen konnte. Und auch das geht natürlich nur, wenn eine Person direkt und nah mir gegenüber sitzt. Das ganze Morgenritual dauerte jeweils eine gute halbe Stunde. Und mir kam es vor wie eine elend lange Ewigkeit. Ich musste manchmal auch aufpassen, dass ich nicht einschlief. Es war so furchtbar langweilig. Ich habe manchmal die Kleidung der anderen studiert, oder deren Frisuren. Habe mich gefragt, wieviel sie wohl wiegen oder wie es wohl bei ihnen zu Hause aussehen mag. Ob sie Familie haben, eventuell sogar Kinder...
Das gleiche Ritual fand dann auch Nachmittags statt, bevor wir nach Hause gehen konnten. Aber da ging es dann schon schneller, weil jeder gehen wollte und müde war. Glück gehabt!
Der zweite Moment, wo ich total überflüssig war, war die wöchentliche Sitzung. Da sassen wir zusammen und es ging um Vorschläge für Ausflüge, Verbesserungsvorschläge allgemein, Ämter verteilen, etc. Das konnte dann schon mal bis zu zwei Stunden dauern. Auch hier hatte ich keine Chance, dem Gruppengespräch zu folgen. Ich sass da, wartete bis es fertig ist und danach hat mich meine Freundin kurz über das Wichtigste aufgeklärt. Mich haben diese Situationen teilweise sehr wütend gemacht. Einfach so dazusitzen und keiner gibt sich die Mühe, dich ins Gespräch einzubringen. Ich habe dann auch mal mit meiner Betreuerin darüber gesprochen, ob ich in dieser Zeit nicht jeweils etwas anderes tun könnte. Von mir aus abwaschen, oder im Atelier arbeiten, Hauptsache etwas tun. Sie meinte dann, dass sie mir da keine "Extrawurst" geben könnte und das Programm für alle das Gleiche sei. Voilà, der Chef hatte gesprochen. Aber hatte ich denn etwas Anderes erwartet?!

Dienstag, 17. Februar 2015

Tagesklinik (Teil 1)

Nach und nach wurde mir einfach alles zu viel. Das Arbeitslosenamt schickte mich zum Sozialamt und dort schickten sie mich wieder zurück. Die IV meldete sich ewig nicht und ich hatte das Gefühl, mir nicht mehr selber helfen zu können. Dazu kam, dass es mir gesundheitlich nicht gut ging, ich es aber nicht genau einordnen konnte. Ich fühlte mich krank, obschon ich kein Fieber hatte.
Meine Psychologin sorgte sich sehr und fand es die beste Lösung, wenn ich in eine psychiatrische Tagesklinik gehe. Sie meinte, es würde mir wieder einen Tagesablauf geben und zudem würde man mich dort unterstützen im Kampf gegen die Ämter. Dazu kam ja auch immer noch das psychologische Gutachten, welches die IV forderte und auch  dies könnte man mir nach einem Aufenthalt in dieser Klinik geben. Also stimmte ich zu und konnte kurz darauf auch schon meinen ersten Tag dort beginnen.
Mein Umfeld hat extrem schlecht auf diese Situation reagiert. "Was willst du denn in der Klappsmühle?" "Dir fehlt doch überhaupt nichts, geh endlich wieder arbeiten, dann gehts dir besser". Einige Bekanntschaften haben sich da verabschiedet, weil sie es überhaupt nicht versehen konnten.
Aber es war schliesslich mein Weg und ich war wirklich froh unter Leute zu kommen. Die Betreuer schienen alle sehr sympathisch zu sein. Eine von ihnen hat sich sehr bemüht mir das ganze Haus zu zeigen und mir den Tagesablauf zu erklären. Sie hat sehr deutlich gesprochen und immer den Blickkontakt gesucht. Auch die anderen "Patienten" haben mich sofort sehr herzlich aufgenommen und es wurde untereinander immer geschaut, dass keiner alleine rumsitzt. Diejenigen, die schon länger da waren, haben sich sehr um die Neulinge gekümmert und mir alles erklärt.
Für diejenigen, die es nicht kennen: In einer Tagesklinik geht man morgens hin, bleibt dann den ganzen Tag dort und geht am späteren Nachmittag wieder nach Hause. Es ist so wie eine Tagesbeschäftigung. Jeder Tag war individuell gestaltet. Wir gingen walken, machten Ausflüge, hatten Turnunterricht, bastelten im Atelier; wir kochten jedoch auch, kauften ein und putzten das Haus. Es war wirklich immer etwas los, ohne das man aber dabei überfordert wurde. Innerhalb ziemlich kurzer Zeit waren wir eine kleine Familie. Wir redeten extrem viel; nicht nur mit Psychologen. Die besten Gespräche führten wir unter uns "Patienten". Die einzige Person, die total unsympathisch war, war meine Betreuerin. Das war nicht von Anfang an so. Das hat sich ergeben. Sie kriegte es als Einzige nicht hin, deutlich genug zu sprechen. Zudem gab sie mir ziemlich rasch das Gefühl, nicht am richtigen Ort zu sein. Das störte mich sehr, weil mir der Ort gut tat. Ich fragte nach, ob es nicht möglich sei, die Bezugsperson zu wechseln. Nicht möglich. Das war sehr schade, denn ich konnte mich dieser Frau so überhaupt nicht öffnen. Und dadurch war sie unzufrieden und nahm mich nicht ganz ernst. Ich musste sie jedes Mal darauf hinweisen, dass ich nicht wegen einer psychischen Krankheit da war, sondern wegen dem Resultat einer körperlichen Krankheit. Aber sie versuchten natürlich mit allen Mitteln und Wegen meine Symptome auf die Psyche zu lenken. Und so erhielt ich mein erstes Psychopharmaka-Medikament. Es sollte angstlösend wirken und Stimmungsschwankungen ausgleichen.
Und irgendwie hatte ich noch ein Fünkchen Hoffnung, dass sie einfach Recht hatten. Und alles ist nur psychisch. Und dann würde ich diese Tabletten schlucken und alles würde wieder gut werden.

Donnerstag, 12. Februar 2015

Am falschen Ort...

Die Firma meines Vaters, wo ich die letzten Jahre gearbeitet hatte, war Konkurs gegangen. Für mich war das ein dreifacher Verlust. Erstens hat mir meine Arbeit dort sehr gut gefallen, zweitens tat es mir extrem Leid für meinen Vater, dass es nicht so geklappt hat, wie er sich das vorstellte. Und drittens war es recht schwierig auf meinem Beruf einen Job zu finden ohne Kundenkontakt und ohne Telefondienst. Mein Gehör wurde nämlich schön schleichend von Monat zu Monat schlechter. Die Verschlechterung schritt so langsam voran, dass ich es selbst gar nicht richtig wahr nahm.
Als ich mich beim Arbeitslosenamt anmeldete und zu meinem ersten Gespräch ging, sagte mir der Berater, dass er noch abklären müsse ob ich überhaupt Anspruch auf Arbeitslosengeld habe, da ich ja auf meinem Beruf nicht zu 100% vermittelbar sei. Spätestens am Infotag merkte ich dann, dass das wohl nicht sehr viel bringen würde. Ich sass diese Stunde ab ohne irgend etwas zu verstehen. Zum Glück bekamen wir alle Infos noch schriftlich. In solchen Situationen habe ich mich dann extrem in mein Schneckenhaus zurückgezogen. Was wollte ich auch anderes tun? Ich fühlte mich unter Menschen nicht mehr wohl. Fühlte mich gestresst und hatte immer Angst, dass jemand etwas von mir will und ich es nicht merke. Es ist recht schwierig diese Situation zu beschreiben. Man kann sich einfach nicht integrieren, wenn man nur kleine Bruchteile von Gesprächen und Fragen mitbekommt. Man hat auch keinen Spass so unter Menschen zu sein. Hätte ich damals gewusst (und auch sagen können) "Ich habe eine Krankheit und bin gehörlos"; aber das konnte ich nicht. Also wird man zur komischen Aussenseiterin, mit der etwas nicht stimmt. Die "keine Lust" hat zuzuhören und mitzumachen. 
Ich versuche, mich mit einem Vergleich besser auszudrücken:
Stell dir vor, du ziehst morgen - ohne jegliche sprachliche Vorkenntnisse - nach China. Es erwartet dich am Flughafen eine ganze Horde gesprächiger Menschen, die dich abholen. Sie fragen dich sofort aus, wie es dir geht, ob du einen guten Flug hattest, etc. Der Haken: Du verstehst kein Wort, also nickst du, verlegen lächelnd. Die Namen deiner neuen Mitmenschen verstehst du nicht und kannst sie somit nicht ansprechen. Wenn du etwas brauchst, musst du gut schauspielern können, damit du bekommst wonach du suchst. Du wirst sehr froh sein, wenn man dir zeigt was du tun sollst, anstatt es dir zu erklären. Du wirst lernen müssen, dir einzelne Wörter zu merken, damit du dann Schritt für Schritt Zusammenhänge bilden kannst. Nicht wenig Einfluss wird auch die Mimik deiner Mitmenschen haben, damit du erkennen kannst, ob sie wütend sind oder einen Witz machen. 
Jetzt stell dir vor, du bist dort und deine Mitmenschen sind intolerant. Anstatt dich zu integrieren und die sprachliche Brücke zu bauen, schauen sie dich verachtend an und lassen dich alleine zurecht kommen. Wenn du auf sie zugehst, antworten sie dir in einem chinesischen Hochgeschwindigkeitstempo. 
Genau so fühlte ich mich an diesem Infotag. Was machte ich überhaupt hier? Es waren etliche Nationalitäten anwesend. Auf alle wurde eingegangen. Aber ich war da definitiv falsch. 


Freitag, 6. Februar 2015

Ängste

Die IV verlangte ja nun noch mein psychiatrisches Gutachten. Also besuchte ich eine Ärztin für Psychiatrie. Es war eine Frau mittleren Alters mit einem fürchterlichen, chronischen Husten. Mir war das anfangs total unangenehm mit einer fremden Frau zu sprechen. Ich wusste ja auch überhaupt nicht, was ich ihr erzählen sollte. Eigentlich war es ja ihre Aufgabe herauszufinden, warum ich überhaupt bei ihr war. Schräg. Nun ja, wir erstellten einen Stammbaum meiner Familie und jede einzelne Person von ihnen haben wir kurz besprochen. Auch über einen möglichen Lebenspartner und über meine Freunde hat sie mich ausgefragt. Und immer wieder zwischendurch sehr lange Pausen, in denen sie mich einfach anschaute und anlächelte. Hmm... sollte ich zurück lächeln? Oder hätte ich etwas erzählen müssen? Ich war total unsicher. Und ich hatte Lust zu weinen. Nicht weil ich traurig war, aber weil man das halt so kennt vom Fernsehen, dass beim Psychiater alle weinen. Und zudem konnte ich hinschauen wo ich wollte, überall lagen Taschentücher bereit. Aber ich konnte nicht weinen. Stattdessen tat mein Körper, was er in letzter Zeit öfters machte und indem er mittlerweilen richtig gut wurde: Er bekam Panik. Hattest Du schon mal eine Panikattacke? So eine richtig Schlimme, wo du schon dein Handy in den Händen hältst und zitternd die Notrufnummer eintippst? Es fängt ja meist ganz harmlos an, mit einem leichten Gefühl von Unwohlsein. Ohne bestimmten Grund. Es kann zum Beispiel an der Temperatur liegen, oder manchmal reicht schon nur etwas Gehörtes oder Gesehenes, das einem missfällt. Dann auf einmal wird einem warm; es ist nicht ein angenehmes warm sondern eher ein "ich muss mir die Kleider vom Leib reissen"-warm. Auf einmal - bei mir fing es meist bei den Füssen an und arbeitete sich empor - verspürt man dieses Kribbeln auf der Haut. Spätestens wenn es dann so auf Herzhöhe ist, rast auch schon der Puls kräftig mit. Das hingegen kurbelt die Atmung an und das Hyperventillieren wirkt sich dann noch negativer auf das Herzrasen aus. Wenn man hier in dem Moment noch steht, dann gehört man schon zur abgehärteteren Sorte. Bei denen folgt dann noch das Trillerpfeifen-laute Ohrensausen, was zum totalen Zusammenbruch des Körpergefühls führt. Es ist wie eine tickende Bombe... Allzeit bereit zu explodieren. Und das Wichtigste: das logische Denken wird sehr effizient ausgeschaltet und in dem Moment ist die natürlichste Schlussfolgerung dieser Situation: "Ich sterbe".
Und genau das habe ich da zum meiner Ärztin gesagt. "Tun Sie doch was, ich sterbe!". Und sie sass nur da und lächelte mich immer noch genau gleich an. Sie fragte mich: "Erleiden Sie gerade einen Schlaganfall? Oder ist es eventuell das erste Anzeichen eines Herzinfarktes?" ... und immer noch sass sie total gelassen da. "Ja!" antwortete ich und bemerkte, wie mit meinem Ja alles anfing sich etwas zu beruhigen. Sie erklärte mir dann, dass Panikattacken überhaupt nicht bedrohlich seien. Es sei lediglich die Angst, die unser Hirn dazu bringt, nicht mehr klar denken zu können. Aber das kennen wir ja alle. Wenn eine Spinne vor uns runterkommt, fuchteln wir automatisch wie wild mit den Händen rum. Und Schreien wenn möglich noch dazu. Damit auch die Spinne noch eine Panikattacke kriegt.
Ich finde, man redet heutzutage nicht mehr über Ängste. Weil das ist peinlich. Jeder will doch stark sein. Nicht verletzlich wirken.
Dabei sind sie ein elender Teufelskreis und man muss sie ansprechen um sie überwinden zu können.
Nur schon indem meine Ärztin erfasste, was da gerade mit mir geschah und mir Verständnis dafür zeigte, damit hat sie mir so unheimlich geholfen.
Diese erste Sitzung fiel also für mich positiver aus, als ich erwartet hätte.

Liebe Blog-Leser... was sind eure Ängste? Habt ihr Lust mir darüber zu schreiben? Ihr könnt hier den Post kommentieren oder mich per Kontaktformular (auch anonym) kontaktieren.


Freitag, 30. Januar 2015

In der Kinderklinik

Der nächste Termin fand nun also in der Kinderklinik statt. Nicht mal über mein geliebtes Google konnte ich annähernd herausfinden, was man hier mit mir machen würde. Deswegen war ich nun schon wieder total nervös. Zum Glück hatte eine gute Freundin von mir Zeit mich zu begleiten.
Eine nette Dame holte uns im Wartezimmer ab. Sie war ganz normal gekleidet, ohne weissen Kittel und sah sehr sympathisch aus. Als sie meine Freundin fragte, ob sie auch bei den Tests dabei sein wolle, war ich erleichtert. Es konnte also nichts allzu Schlimmes sein. Und genauso war es dann auch. Harmlos. Es ging darum, dass wir uns auf einem Kassettenrekorder (oh ja, die Dinger gibt es noch!) verschiedene Geräusche anhörten und dann sagen mussten, worum es sich bei dem Geräusch handelt. Es handelte sich dabei um ganz alltägliche Geräusche wie zum Beispiel den Lärm einer Autobahn, eines vorbei fahrenden Zuges, das Geräusch wenn sich jemand die Zähne putzt. Und so weiter. Es war für mich so deprimierend. Denn meine Freundin konnte fast alles problemlos zuordnen und ich hörte einfach nur Lärm. Die Lautstärke spielte dabei überhaupt keine Rolle. Ich konnte höchstens unterscheiden, ob es ein Rauschen, ein Surren oder ein Schreien war. Mehr war nicht drin. Ich habe der Logopädin angemerkt, dass sie total Mitleid hatte. Sie sagte auch, dass sie noch nie einen Patienten hatte, der so Mühe hatte mit dem Zuordnen von Geräuschen.
Auf der einen Seite ist das ja ganz gut, wenn man nirgendwo etwas findet, denn das heisst ja, dass alles gesund ist. Aber das Mysterium wurde gleichzeitig auch grösser und die Frage immer schwieriger: Wo liegt das Problem?
Klar war jetzt also, dass ich zwar hörte, aber mein Hirn nicht wirklich aufnehmen konnte, um was es sich handelt. Die aufmerksamen Leser werden jetzt so etwas wie ein Déjà-Vu haben: Hatte ich nicht genau das schon vor einiger Zeit selber festgestellt? Und man sagte mir dann, dass das ja nicht möglich sei? Und wie sollte es jetzt weitergehen? Die Logopädin schrieb natürlich einen Bericht darüber. Doch ich hatte wirklich überhaupt keine Lust, mit diesem zurück zum Professor zu gehen und ihm zu beweisen, dass ich recht hatte. Es würde sowieso nichts bringen. Also musste ich mir selber etwas überlegen...

Mittwoch, 28. Januar 2015

Süsse Überraschung

... Als ich den Brief mit dem Aufgebot für die nächsten Tests öffnete, traf mich fast der Schlag. Der Test beim Neuropsychologen dauert sage und schreibe volle 4 Stunden. Was in aller Welt hatte denn der Mann mit mir vor? Eine mentale Weltreise? Und als ich dann den Namen des Arztes las, musste ich laut rauslachen. Leider kann ich ihn hier nicht erwähnen, da ich mir vorgenommen habe, Namen wegzulassen. Schliesslich möchte ich volle Schreibfreiheit. Nennen wir ihn einfach Dr. Friedrich, denn das klingt auch einigermassen altmodisch. Nicht annähernd SO altmodisch wie der richtige Name. Ich habe ein sehr bildhaftes Gedächtnis. Manchmal ist das recht eklig und teilweise auch ziemlich lustig. Unter Dr. Friedrich ergibt sich also in meinem Hirn automatisch ein Profilbild. Es ist ein alter, dürrer Mann mit nur noch ein paar Häärchen auf dem Kopf. Diese schimmern so weiss wie sein Kittel. Auf der Nase hat er eine Brille sitzen, mit riesigen runden Gläsern, welche dick und schwarz umrandet sind. Auf Grund seines Alters geht er schon leicht gebückt durch die Gänge. Ach wie ich mich doch freute, vier Stunden lang mit meinen Augen an seinen Lippen zu hängen (Ja, beim Lippenlesen ist das nun mal so). Ich konnte nur hoffen, dass er ein schönes Gebiss haben würde und seine Zähne nicht aussahen wie ein abgebranntes Dorf. An Fantasie und Vorstellungsvermögen hat es mir noch nie gemangelt.
Da sass ich also im Flur und wartete auf ihn. Ein überdurchschnittlich gut aussehender Medizinstudent oder Pfleger ordnete im Untersuchungszimmer irgendwelche Dossiers. Schon als er vorhin im Flur an mir vorbei lief, ist er mir aufgefallen. Er zog eine angenehm riechende Parfümwolke hinter sich her... nicht zu viel, nicht zu wenig.
Als er fertig war mit seinen Dossiers - ich beobachtete ihn, da die Türe einen Spalt weit offen stand - öffnete er die Tür, lächelte mich sympathisch an und sagte: "Guten Tag, mein Name ist Friedrich!"
Hatte ich mich nicht vorhin gerade noch über die 4 Stunden beklagt? Ha, was sind schon vier Stunden. ;-)
Nun, diese Tests bestanden darin mein Hirn zu testen. Und zwar nicht mit medizinischen Geräten, sondern ganz simpel mit diversen Aufgaben. Da musste ich zum Beispiel aus Klötzen eine vorgegebene Skulptur bilden, während der Dr. Schönling die Zeit gestoppt hat. Es kamen auch gewisse Logikaufgaben aus dem Bereich Mathematik. An einem Pc wurde meine Reaktion gemessen, es kam mir alles sehr spielerisch vor. Wenn ich etwas mit den Händen machen musste, hat er auch immer genau meine Hände und deren Bewegungen beobachtet. Es war übrigens auch überhaupt nicht unangenehm, ihm von den Lippen ablesen zu müssen, ganz im Gegenteil.
Die 4 Stunden gingen viel zu schnell vorbei. Nachdem er meine Ergebnisse ausgewertet hatte und ich eine kleine Denkpause gegönnt bekam, erhielt ich die Resultate. Ich hätte alle Tests mit überdurchschnittlichen Ergebnissen abgeschlossen. Das will jetzt nicht heissen, dass ich überdurchschnittlich intelligent bin. Sondern, dass ich unter Druck einfach sehr viel aus mir rausholen kann. Man will ja schliesslich imponieren.
Und somit endete dieser Tag, wider allen Erwartens, sehr glücklich. Sowohl im Bauch-, Herz- und auch Kopfbereich.
Wiedermal scheint gesundheitlich alles in Ordnung zu sein. Und das Abenteuer nach der Auflösung des Rätsels geht weiter....

Freitag, 23. Januar 2015

Ich, die Simulantin (Teil 1)

Meine Ausgangslage war nicht gerade optimal. Denn jeder wusste, warum ich die Tests nun zum zweiten Mal machte: Ich war eine Simulantin. Was mich an der Sache am allermeisten störte war, dass ich etwas beweisen musste. Und zwar das Bestehen eines Leidens, das ich ja selber am liebsten gar nicht hätte!!
Im Spital machte ich also noch mal die ganze Testreihe durch. Diesmal war jedoch ständig eine Frau neben mir, die mich bös anschaute und pausenlos beobachtete. Eigentlich noch ein gemütlicher Job, den die Frau da hat. Ich frage mich gerade, wie die Ausbildung zur Simulantenbeobachterin so abläuft... Ob man dazu an die Universität muss? Jedenfalls hat sie das "ruhig sitzen" ganz bestimmt lange geübt. Die Tests dauerten Stunden und sie hat nicht ein Wort von sich gegeben. Das machte die ganze Situation noch etwas entspannter.
Nach dem ganzen Cabaret teilte mir der Professor mit, dass die Resultate übereinstimmten mit der ersten Testreihe. Es herrschte eine beklemmende Ruhe. Ich wartete darauf, dass er sich für die Unannehmlichkeiten und den Vorwurf entschuldigte. Doch es kam nichts. Genauso war auch sein prüfender Blick noch immer derselbe. Ich merkte, dass er mit der Situation nicht zufrieden war. War es, weil er sich geirrt hatte und nun nicht weiss, wie er reagieren soll? Oder lag es daran, dass er absolut keinen blassen Schimmer hatte, was mir fehlt? Es wäre natürlich schon mega praktisch gewesen, wenn man die ganze Sache hätte abgeben können. In die Psychiatrie zum Beispiel. Oder in die Abteilung für eingebildete Kranke. Hauptsache aus den Augen. Aber ich sass nun mal noch da und er schuldete mir eine Antwort.
Ich muss hier auch noch kurz festhalten, dass es ihm auch nach so vielen Gesprächen nach wie vor nicht möglich war, deutlich genug mit mir zu sprechen. Meine Mutter war stets als "Dolmetscherin" dabei.
Wenn ich so am Schreiben bin, dann merke ich, dass mir dieser Professor eigentlich ganz gelegen kam. In meinen Augen ist es ein Vertrauensbruch gegenüber seinen Patienten, wenn man diese nicht ernst nimmt. Mit dieser Enttäuschung entwickelte er sich zu meinem persönlichen Sündenbock, auf den ich eigentlich auch meinen ganzen Frust betreffend dem Hörverlust schieben konnte.
Ich versuchte ein letztes Mal mich zu erklären. "Es kommt mir so vor, als wären nicht meine Ohren das Problem, sondern mein Hirn. Die Information gelangt einfach nicht durchs Ohr bis zum Hirn." Da lernte ich wieder etwas Neues. Ärzte mögen es nicht sonderlich, wenn man selber eine Idee zur Diagnose hat. Schliesslich sind ja sie die Schlauen und nicht wir Patienten. Also wurde diese Aussage wie auch alles andere abgewimmelt.
Für den Professor war der Fall nun abgeschlossen. Er könne nichts für mich tun, ausser einen korrigierten Bericht an die IV schicken. Mir kam das sehr recht. Ich hatte auch überhaupt keine Lust mehr, bei diesem Mann weiterhin meine Zeit zu vergeuden. Die Sekretärin  teilte mir noch mit, dass ich bald (in Spitälern sollte das Wort neu definiert werden) ein Aufgebot bekommen würde von einem Neuropsychologen. Keine Ahnung was das ist, aber klingt viel versprechend und intelligent. Ebenfalls würde ich einen Termin bekommen in der Logopädie der Kinderklinik. Aha. Weitere Erklärungen dazu gab es leider nicht und schon standen wir draussen vor der Tür.
Du kannst dir sicher vorstellen, wie viel Zeit ich in den letzten Jahren verbracht habe mit Gedanken. Und Google.

Mittwoch, 21. Januar 2015

Unfair


Als ich am Mittag den Briefkasten leerte, war ein Bericht von der Invalidenversicherung mit dabei. Ich erwartete ein Schreiben, in dem mir mitgeteilt wird, dass man für mich ein Dossier eröffnet hat. Da es aber immer anders kommt als man denkt, erlebte ich eine grosse Überraschung: Es wurde mir nämlich mitgeteilt, dass aufgrund des Schreibens vom Professor, mein Leiden einen psychischen Hintergrund habe. Das hat dann mein Fass endgültig zum Überlaufen gebracht und ich war nun bereit zu Schreien, so laut ich nur konnte. Ich hatte so eine Wut auf diesen Professor, denn mir hatte er nicht gesagt, dass er diesen Verdacht hat. Ich konnte das wirklich nicht auf mir sitzen lassen. Meine Eltern haben mir also geholfen, schnellstmöglich nochmal einen Termin bei ihm zu bekommen um die Sache klären zu können. Wir waren wirklich entsetzt über dieses Schreiben hinter meinem Rücken durch. Nie zuvor in meinem Leben habe ich mich so abgestempelt gefühlt.

Als ich ihm dann endlich (nach einer gefühlten Wartezeit von einem halben Jahrhundert) zu einem Gespräch gegenüber sass, war meine grösste Wut schon vorbei. Oder hatte sich in Angst umgewandelt. Denn ich wollte ja auch Hilfe von diesem Mann. Welch eine Zwickmühle.
Ich habe wirklich versucht, sachlich zu bleiben und darauf zu bestehen, dass man mich ernst nehmen muss. Des Professors Vorschlag war, die ganze letzte Testserie nochmals zu wiederholen mit einer Kontrollperson. Da meine Resultate so abwichen von den Normalen, ging er davon aus, dass ich schummelte. "Wie in aller Welt kann man den bei medizinischen Tests schummeln?" fragte ich, vor lauter Wut und Enttäuschung schon mit den Tränen kämpfend. Er meinte dann, dass ich mich wohl absichtlich nicht entspannt hätte und mit der verkrampften Haltung würde man es schaffen, die Tests zu "manipulieren". In mir drin fand gerade eine emotionale Achterbahn statt. Mit hunderten von Loopings flitzte die Bahn mit einer Geschwindigkeit von mindestens 130h/km durch meinen Körper. Ich sah keinen anderen Ausweg, als in Tränen auszubrechen. Ich wusste nicht mehr was ich denken soll. Es geht mir schlecht, ich verliere mein Gehör, mein Leben stellt sich gerade total auf den Kopf und nun wird behauptet, dass ich das alles simuliere? Welchen Hintergrund muss man denn haben, um so etwas zu simulieren? Oder wie bitte kommt man überhaupt auf den Gedanken, so etwas zu tun?
Ausserdem - ganz unabhängig von den nächsten Resultaten - verlangte die IV nun auch noch ein psychiatrisches Gutachten. Mir war zu dem Zeitpunkt nicht bewusst, dass man dieses nicht schon nach einer Sitzung erhält. Man lernt immer wieder dazu.

Freitag, 16. Januar 2015

Wartezeit...

"Wenn man die Zeit, die ich im Wartezimmer verbracht habe zusammenzählt, hätte ich ebenso gut Medizin studieren, den Facharzt in Neurologie machen und mich selbst behandeln können." 😊

Die Auswertungen meiner letzten Tests waren nicht sehr viel aussagend. Man sah, dass mein Hörnerv rebelliert und überhaupt nicht so funktionierte, wie er sollte. Doch sogar der Doktor Professor hatte solche Resultate noch nie gesehen. Also wusste er auch wieder nicht weiter.
Da sich mein Gehör weiterhin im Schneckentempo verschlechterte, war es mir ein grosses Anliegen, dass der Professor mich bei der Invalidenversicherung anmeldete. Im Moment erwartete ich nichts von ihnen. Aber da keiner meine Prognose wusste, war mir das so lieber. Der Professor schrieb also einen zusammenfassenden Brief über all meine Tests und Auswertungen und schickte den zur IV.

Während der ganzen Warterei ging mein Leben ja trotzdem weiter. Ich merkte, dass ich bei der Arbeit überhaupt keine Nerven mehr hatte. Ich war sehr viel krank und extrem erschöpft. Mein Hirn hatte sich nun angewöhnt, den Leuten beim Sprechen von den Lippen zu lesen. Das machte es zumindest etwas einfacher, das Nötigste zu verstehen. Der Telefondienst war unmöglich geworden, doch das glaubte mir nach wie vor keiner. Ich verstand nicht mehr, wer am Telefon war; konnte nicht einmal mehr beurteilen ob die Stimme männlich oder weiblich war. Ich hörte nur noch Geräusche, welche ich nicht zuordnen konnte. Lärm.
Ich konnte mich zu dem Zeitpunkt auch ganz schlecht ausdrücken. Ich wollte ja keinen unnötigen Aufstand machen, aber trotzdem mitteilen, dass es mir nicht gut ging. Das hat leider so nicht funktioniert. Ich habe es einfach nicht hinbekommen, mir das nötige Verständnis und auch Einfühlungsvermögen zu holen. Das hat mich wahnsinnig traurig gemacht und ich fühlte mich sehr einsam; in mich gekehrt. Auch in den Arbeitspausen habe ich jeweils nichts mehr mitgekriegt. Wir waren immer etwa zu fünft im Pausenraum, aber bei Gruppengesprächen konnte ich nicht mehr folgen. Die Kommunikation funktionierte nur noch beim Gespräch mit einer einzelnen Person. Ich habe dann irgendwann begonnen, mich von den anderen zurück zu ziehen. Ich ging sehr gerne alleine in die Pause um mich zu erholen und die Ruhe zu geniessen.
In der Zeit lastete ein enormer Druck auf mir. Ich wurde schon nervös, wenn jemand auf mich zu lief. Weil die Person könnte ja etwas von mir wollen und ich würde dumm dastehen, wenn ich sie nicht verstehen würde. Meine Mitarbeiter und auch meine Freunde wussten ja, dass die Ärzte bei mir nichts fanden und nahmen mich deswegen auch nicht so ganz ernst. Ich möchte hier aber auf keinen Fall irgendwelche Vorwürfe austeilen. Denn ich war ja auch nicht im Stande mich mitzuteilen. Jedenfalls nicht wie ich es gerne gewollt hätte. Ein Freund sagte mir einmal: "Nur wer schreit, wird auch gehört!" Ich war bis dahin eigentlich völlig vom Gegenteil überzeugt. Aber da ich damit keinen Schritt weiter kam, beschloss ich, zu rebellieren. Zu Schreien. Auf mich aufmerksam zu machen.

Dienstag, 6. Januar 2015

Das erste Mal in der Neurologie

Nach einer Wartezeit von ca. 4 Monaten, habe ich dann meine Termine bekommen für die neurologischen Untersuchungen. Heute weiss ich, dass solche Abklärungen enorm lange dauern, insbesondere wenn der Zustand nicht lebensbedrohlich oder stark verschlechternd ist. Damals wusste ich das noch nicht. Für mich gab es 2 Möglichkeiten. Entweder war mein Leiden wirklich nichts Bedeutendes oder man nahm mich nicht ernst. Ich konnte hier jedoch noch nicht beurteilen, was Sache ist.
Den ersten Teil der neurologischen Untersuchungen hatte ich bei einer Neurologin in einer normalen Praxis. Ich bin fast gestorben vor Angst, da ich mir überhaupt nicht vorstellen konnte, wie diese Tests ablaufen. Schlussendlich war die Aufregung umsonst, denn die Tests waren sogar recht witzig. Mit einem Zahnstocher wurde ich an diversen Orten gepiekst, um zu sehen, ob das Gefühl überall am Körper vorhanden ist. Danach wurden die Reflexe getestet, auch da funktionierte alles einwandfrei. Auch artistische Einlagen wie auf einem Bein durch die Praxis hüpfen oder mit geschlossenen Augen mit dem Zeigefinger die Nase berühren; Ich meisterte alles erfolgreich. Meine Augen und mein Geruchssinn wurden geprüft und die Ärztin konnte nirgends ein Defizit feststellen. Die letzte Möglichkeit war, mit einer grossen Spritze Nervenflüssigkeit aus dem Rücken zu ziehen. Dies sei jedoch ein Eingriff, den man im Spital vornehme, da man danach bis zu 8 Stunden nicht mehr aufstehen dürfe. Da alle meine bisherigen Tests wirklich ausnahmslos ohne Befund waren, lehnte ich dann diese Untersuchung ab. Zum einen weil sie mir Angst machte und zum anderen weil ich sie zu übertrieben fand.
Der zweite Teil der Neurologietests fand dann wieder im Spital statt. Zuerst durfte ich nochmals für eine gute Stunde in die Röhre. Diesmal habe ich beim Ausfüllen des Formulars jedoch das Kreuzchen am richtigen Ort gemacht und im Voraus eine Beruhigungstablette erhalten. Als ich dann so in der Röhre lag und das *Erdbeben" anfing, spürte ich einen grossen, inneren Frieden. Mir war so schön warm und mein Bett war schön weich. Diese Tabletten hatten es wirklich in sich. Im Nu war die Prozedur vorbei und ich fühlte mich noch eine gute Stunde wie auf rosa Wolken. Herrlich!
Im zweiten Teil ging es darum, die Aktivität des Hörnervs zu testen. Dazu musste ich mich auf ein Bett legen, welches sich in einer kleinen Kammer befand. Ich bekam einen Stöpsel ins Ohr, so wie man sie vom Walkman her kennt. Man sagte mir, dass es enorm wichtig sei, sich total zu entspannen. Der beste Fall wäre, wenn man einschlafen könnte. Da ich eigentlich immer und überall schlafen konnte, dachte ich mir: "Wenn es weiter nichts ist!" Mir wurde noch gesagt, dass der Test ca. 1 Stunde dauern würde und dann verliess der Pfleger die Kammer, schloss die Tür und stellte das Licht aus. Einen kurzen Moment später fing es auch schon an... der Albtraum begann. Ich hörte auf einem Ohr ein Geräusch, dass nur schwer zu beschreiben ist. Ich verglich es mit diesen Maschinen, mit denen die Bauarbeiter den Betonboden auflockern. Dieses Geräusch hörte ich während 15 Minuten mit einer Lautstärke von 75 Dezibel. Danach während 15 Minuten mit 95 Dezibel, bis es dann zum anderen Ohr wechselte für die nächsten dreissig Minuten. Schon etwa nach 5 Minuten war ich nassgeschwitzt. Und total aggressiv. Mir war klar, dass ich mich auf keinen Fall entspannen könnte. Ich bekam da drin total Panik. Es war stockdunkel und ich hörte diesen Lärm, der nicht mehr aufhörte. Mir wurde schwindlig und übel, mein Herz raste. Nach 45 Minuten kam Licht in die Kammer. Ich hatte es geschafft!!! Der Pfleger sah mich etwas bemitleidend an und meinte: "Sie waren überhaupt nicht entspannt, das sieht man bei den Aufzeichnungen. Es tut mir Leid, aber wir müssen das Ganze nochmals von vorne beginnen."
Was mir da durch den Kopf ging, dafür gibt es keine Worte. Jedenfalls keine salonfähigen.
Ich war überzeugt, dass dieser Test nicht nur den Hörnerv testete. Nein, er testete mein ganzen Nervensystem und erneut entdeckte ich neue Grenzen meiner psychischen Belastbarkeit.