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Freitag, 23. Januar 2015

Ich, die Simulantin (Teil 1)

Meine Ausgangslage war nicht gerade optimal. Denn jeder wusste, warum ich die Tests nun zum zweiten Mal machte: Ich war eine Simulantin. Was mich an der Sache am allermeisten störte war, dass ich etwas beweisen musste. Und zwar das Bestehen eines Leidens, das ich ja selber am liebsten gar nicht hätte!!
Im Spital machte ich also noch mal die ganze Testreihe durch. Diesmal war jedoch ständig eine Frau neben mir, die mich bös anschaute und pausenlos beobachtete. Eigentlich noch ein gemütlicher Job, den die Frau da hat. Ich frage mich gerade, wie die Ausbildung zur Simulantenbeobachterin so abläuft... Ob man dazu an die Universität muss? Jedenfalls hat sie das "ruhig sitzen" ganz bestimmt lange geübt. Die Tests dauerten Stunden und sie hat nicht ein Wort von sich gegeben. Das machte die ganze Situation noch etwas entspannter.
Nach dem ganzen Cabaret teilte mir der Professor mit, dass die Resultate übereinstimmten mit der ersten Testreihe. Es herrschte eine beklemmende Ruhe. Ich wartete darauf, dass er sich für die Unannehmlichkeiten und den Vorwurf entschuldigte. Doch es kam nichts. Genauso war auch sein prüfender Blick noch immer derselbe. Ich merkte, dass er mit der Situation nicht zufrieden war. War es, weil er sich geirrt hatte und nun nicht weiss, wie er reagieren soll? Oder lag es daran, dass er absolut keinen blassen Schimmer hatte, was mir fehlt? Es wäre natürlich schon mega praktisch gewesen, wenn man die ganze Sache hätte abgeben können. In die Psychiatrie zum Beispiel. Oder in die Abteilung für eingebildete Kranke. Hauptsache aus den Augen. Aber ich sass nun mal noch da und er schuldete mir eine Antwort.
Ich muss hier auch noch kurz festhalten, dass es ihm auch nach so vielen Gesprächen nach wie vor nicht möglich war, deutlich genug mit mir zu sprechen. Meine Mutter war stets als "Dolmetscherin" dabei.
Wenn ich so am Schreiben bin, dann merke ich, dass mir dieser Professor eigentlich ganz gelegen kam. In meinen Augen ist es ein Vertrauensbruch gegenüber seinen Patienten, wenn man diese nicht ernst nimmt. Mit dieser Enttäuschung entwickelte er sich zu meinem persönlichen Sündenbock, auf den ich eigentlich auch meinen ganzen Frust betreffend dem Hörverlust schieben konnte.
Ich versuchte ein letztes Mal mich zu erklären. "Es kommt mir so vor, als wären nicht meine Ohren das Problem, sondern mein Hirn. Die Information gelangt einfach nicht durchs Ohr bis zum Hirn." Da lernte ich wieder etwas Neues. Ärzte mögen es nicht sonderlich, wenn man selber eine Idee zur Diagnose hat. Schliesslich sind ja sie die Schlauen und nicht wir Patienten. Also wurde diese Aussage wie auch alles andere abgewimmelt.
Für den Professor war der Fall nun abgeschlossen. Er könne nichts für mich tun, ausser einen korrigierten Bericht an die IV schicken. Mir kam das sehr recht. Ich hatte auch überhaupt keine Lust mehr, bei diesem Mann weiterhin meine Zeit zu vergeuden. Die Sekretärin  teilte mir noch mit, dass ich bald (in Spitälern sollte das Wort neu definiert werden) ein Aufgebot bekommen würde von einem Neuropsychologen. Keine Ahnung was das ist, aber klingt viel versprechend und intelligent. Ebenfalls würde ich einen Termin bekommen in der Logopädie der Kinderklinik. Aha. Weitere Erklärungen dazu gab es leider nicht und schon standen wir draussen vor der Tür.
Du kannst dir sicher vorstellen, wie viel Zeit ich in den letzten Jahren verbracht habe mit Gedanken. Und Google.

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