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Dienstag, 26. Mai 2015

Weiter gehts...

Von nun an lief alles anders. Es fühlte sich an, als hätte ich über Nacht ein Kind bekommen. Und diese Verantwortung war einfach ein wundervolles Gefühl. Jeden Morgen wurde ich um sechs Uhr geweckt durch eine nasse Zunge und das unaufhörliche Wedeln eines kleinen Schwanzes. So konnte ja der Tag nur gut beginnen! Mit Ayana zusammen fühlte ich mich wahnsinnig stark. Trotz meiner Schwerhörigkeit kam ich viel besser ins Gespräch mit anderen Menschen, wenn sie dabei war. Ich traf dann auch bei uns im Quartier plötzlich Leute mit Hunden, welche ich zuvor nie wahrgenommen hatte. Wir trafen uns dann jeweils auf einer grossen Wiese, die Hunde konnten zusammen spielen und wir plaudern. In dieser Zeit entstanden ein paar richtig schöne und wichtige Freundschaften.
Mit einer ganz speziellen Freundin konnte ich von Anfang an sehr gut über meine gesundheitlichen Probleme sprechen. Sie ist so eine offene Person, die sich davon nicht abschrecken liess. Als wir wieder einmal zusammen auf einem kleinen Hundeausflug waren, fragte sie mich, ob ich Schmerzen im Fuss hätte. Ich hatte jedoch keine Ahnung wovon sie sprach, denn mir ging es hervorragend. Sie sagte mir dann, dass ich leicht hinke und ihr das so aufgefallen sei. Ich hatte auch schon bemerkt, dass ich ab und zu schwankte. Es war aber ganz selten, zum Beispiel wenn ich sehr müde war. Oder in der Dämmerung, aber da hatte ich schon immer Probleme. Ich bin total Nachtblind. Und dazu ging ich davon aus, dass bei einem Gehörverlust doch wohl auch das Gleichgewicht etwas eingeschränkt war.
Und wenn ich dazu noch wusste, dass mich jemand "beobachtet" oder mir nachschaut, dann kam es natürlich erst recht nicht gut. Weil man dann versucht, besonders elegant zu gehen. Also wenn ich mal einen schlechten Tag hatte und so vor mich hin schwankte, sah es schon aus, als hätte ich ein kleines Gläschen Wein zu viel gehabt. Die Blicke meiner Mitmenschen waren sehr verschieden. Geschah das abends, da fiel ich nicht grossartig auf. Aber wenn ich morgens schwankend unterwegs war, dann sah ich es den Leuten ins Gesicht geschrieben: "So früh schon besoffen!"