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Donnerstag, 12. Februar 2015

Am falschen Ort...

Die Firma meines Vaters, wo ich die letzten Jahre gearbeitet hatte, war Konkurs gegangen. Für mich war das ein dreifacher Verlust. Erstens hat mir meine Arbeit dort sehr gut gefallen, zweitens tat es mir extrem Leid für meinen Vater, dass es nicht so geklappt hat, wie er sich das vorstellte. Und drittens war es recht schwierig auf meinem Beruf einen Job zu finden ohne Kundenkontakt und ohne Telefondienst. Mein Gehör wurde nämlich schön schleichend von Monat zu Monat schlechter. Die Verschlechterung schritt so langsam voran, dass ich es selbst gar nicht richtig wahr nahm.
Als ich mich beim Arbeitslosenamt anmeldete und zu meinem ersten Gespräch ging, sagte mir der Berater, dass er noch abklären müsse ob ich überhaupt Anspruch auf Arbeitslosengeld habe, da ich ja auf meinem Beruf nicht zu 100% vermittelbar sei. Spätestens am Infotag merkte ich dann, dass das wohl nicht sehr viel bringen würde. Ich sass diese Stunde ab ohne irgend etwas zu verstehen. Zum Glück bekamen wir alle Infos noch schriftlich. In solchen Situationen habe ich mich dann extrem in mein Schneckenhaus zurückgezogen. Was wollte ich auch anderes tun? Ich fühlte mich unter Menschen nicht mehr wohl. Fühlte mich gestresst und hatte immer Angst, dass jemand etwas von mir will und ich es nicht merke. Es ist recht schwierig diese Situation zu beschreiben. Man kann sich einfach nicht integrieren, wenn man nur kleine Bruchteile von Gesprächen und Fragen mitbekommt. Man hat auch keinen Spass so unter Menschen zu sein. Hätte ich damals gewusst (und auch sagen können) "Ich habe eine Krankheit und bin gehörlos"; aber das konnte ich nicht. Also wird man zur komischen Aussenseiterin, mit der etwas nicht stimmt. Die "keine Lust" hat zuzuhören und mitzumachen. 
Ich versuche, mich mit einem Vergleich besser auszudrücken:
Stell dir vor, du ziehst morgen - ohne jegliche sprachliche Vorkenntnisse - nach China. Es erwartet dich am Flughafen eine ganze Horde gesprächiger Menschen, die dich abholen. Sie fragen dich sofort aus, wie es dir geht, ob du einen guten Flug hattest, etc. Der Haken: Du verstehst kein Wort, also nickst du, verlegen lächelnd. Die Namen deiner neuen Mitmenschen verstehst du nicht und kannst sie somit nicht ansprechen. Wenn du etwas brauchst, musst du gut schauspielern können, damit du bekommst wonach du suchst. Du wirst sehr froh sein, wenn man dir zeigt was du tun sollst, anstatt es dir zu erklären. Du wirst lernen müssen, dir einzelne Wörter zu merken, damit du dann Schritt für Schritt Zusammenhänge bilden kannst. Nicht wenig Einfluss wird auch die Mimik deiner Mitmenschen haben, damit du erkennen kannst, ob sie wütend sind oder einen Witz machen. 
Jetzt stell dir vor, du bist dort und deine Mitmenschen sind intolerant. Anstatt dich zu integrieren und die sprachliche Brücke zu bauen, schauen sie dich verachtend an und lassen dich alleine zurecht kommen. Wenn du auf sie zugehst, antworten sie dir in einem chinesischen Hochgeschwindigkeitstempo. 
Genau so fühlte ich mich an diesem Infotag. Was machte ich überhaupt hier? Es waren etliche Nationalitäten anwesend. Auf alle wurde eingegangen. Aber ich war da definitiv falsch. 


Freitag, 6. Februar 2015

Ängste

Die IV verlangte ja nun noch mein psychiatrisches Gutachten. Also besuchte ich eine Ärztin für Psychiatrie. Es war eine Frau mittleren Alters mit einem fürchterlichen, chronischen Husten. Mir war das anfangs total unangenehm mit einer fremden Frau zu sprechen. Ich wusste ja auch überhaupt nicht, was ich ihr erzählen sollte. Eigentlich war es ja ihre Aufgabe herauszufinden, warum ich überhaupt bei ihr war. Schräg. Nun ja, wir erstellten einen Stammbaum meiner Familie und jede einzelne Person von ihnen haben wir kurz besprochen. Auch über einen möglichen Lebenspartner und über meine Freunde hat sie mich ausgefragt. Und immer wieder zwischendurch sehr lange Pausen, in denen sie mich einfach anschaute und anlächelte. Hmm... sollte ich zurück lächeln? Oder hätte ich etwas erzählen müssen? Ich war total unsicher. Und ich hatte Lust zu weinen. Nicht weil ich traurig war, aber weil man das halt so kennt vom Fernsehen, dass beim Psychiater alle weinen. Und zudem konnte ich hinschauen wo ich wollte, überall lagen Taschentücher bereit. Aber ich konnte nicht weinen. Stattdessen tat mein Körper, was er in letzter Zeit öfters machte und indem er mittlerweilen richtig gut wurde: Er bekam Panik. Hattest Du schon mal eine Panikattacke? So eine richtig Schlimme, wo du schon dein Handy in den Händen hältst und zitternd die Notrufnummer eintippst? Es fängt ja meist ganz harmlos an, mit einem leichten Gefühl von Unwohlsein. Ohne bestimmten Grund. Es kann zum Beispiel an der Temperatur liegen, oder manchmal reicht schon nur etwas Gehörtes oder Gesehenes, das einem missfällt. Dann auf einmal wird einem warm; es ist nicht ein angenehmes warm sondern eher ein "ich muss mir die Kleider vom Leib reissen"-warm. Auf einmal - bei mir fing es meist bei den Füssen an und arbeitete sich empor - verspürt man dieses Kribbeln auf der Haut. Spätestens wenn es dann so auf Herzhöhe ist, rast auch schon der Puls kräftig mit. Das hingegen kurbelt die Atmung an und das Hyperventillieren wirkt sich dann noch negativer auf das Herzrasen aus. Wenn man hier in dem Moment noch steht, dann gehört man schon zur abgehärteteren Sorte. Bei denen folgt dann noch das Trillerpfeifen-laute Ohrensausen, was zum totalen Zusammenbruch des Körpergefühls führt. Es ist wie eine tickende Bombe... Allzeit bereit zu explodieren. Und das Wichtigste: das logische Denken wird sehr effizient ausgeschaltet und in dem Moment ist die natürlichste Schlussfolgerung dieser Situation: "Ich sterbe".
Und genau das habe ich da zum meiner Ärztin gesagt. "Tun Sie doch was, ich sterbe!". Und sie sass nur da und lächelte mich immer noch genau gleich an. Sie fragte mich: "Erleiden Sie gerade einen Schlaganfall? Oder ist es eventuell das erste Anzeichen eines Herzinfarktes?" ... und immer noch sass sie total gelassen da. "Ja!" antwortete ich und bemerkte, wie mit meinem Ja alles anfing sich etwas zu beruhigen. Sie erklärte mir dann, dass Panikattacken überhaupt nicht bedrohlich seien. Es sei lediglich die Angst, die unser Hirn dazu bringt, nicht mehr klar denken zu können. Aber das kennen wir ja alle. Wenn eine Spinne vor uns runterkommt, fuchteln wir automatisch wie wild mit den Händen rum. Und Schreien wenn möglich noch dazu. Damit auch die Spinne noch eine Panikattacke kriegt.
Ich finde, man redet heutzutage nicht mehr über Ängste. Weil das ist peinlich. Jeder will doch stark sein. Nicht verletzlich wirken.
Dabei sind sie ein elender Teufelskreis und man muss sie ansprechen um sie überwinden zu können.
Nur schon indem meine Ärztin erfasste, was da gerade mit mir geschah und mir Verständnis dafür zeigte, damit hat sie mir so unheimlich geholfen.
Diese erste Sitzung fiel also für mich positiver aus, als ich erwartet hätte.

Liebe Blog-Leser... was sind eure Ängste? Habt ihr Lust mir darüber zu schreiben? Ihr könnt hier den Post kommentieren oder mich per Kontaktformular (auch anonym) kontaktieren.